Freitag, 30. Dezember 2011

Neuschnee und starker Wind verursachen einen Anstieg der Lawinengefahr!

Seit gestern Abend hat die Windstärke in höheren Lagen enorm zugenommen. Unsere Wetterstationen messen um 06:00 Uhr in der Früh über 80 km/h Windspitzen. Die Windrichtung entlang des Alpennordrandes ist meist West, teilweise auch mit einer leichten nordwestlichen Komponente. Entlang des Alpenhauptkammes kommt der Wind noch aus südwestlicher Richtung.

 

Visualisierung der gemessenen Mittelwindgeschwindigkeiten unserer Wetterstationen (farbige Pfeile) zum Zeitpunkt 06:00 Uhr. Die beim Pfeil sichtbaren Zahlen sind die Mittelwindgeschwindigkeit und die maximale Windböe. (Grafik: LWD Tirol, Daten: LWD Tirol und Partner)

 

Während der letzten Stunden hat sich auch der Schneefall verstärkt. Besonders im Außerfern und im Arlberggebiet sind teilweise schon beachtliche Neuschneemengen zusammengekommen. Dieser Schneefall wird sich nun auf ganz Nordtirol und den Tauernkamm ausdehnen. In Kombination mit dem starken Wind bilden sich wieder frische Triebschneepakete, insbesondere in kammnahen Bereichen (siehe auch heutiger Lagebericht).

 

Visualisierung der 24-stündigen Differenz der Gesamtschneehöhe um 09:00 Uhr. (Grafik: LWD Tirol, Daten: LWD Tirol und Partner)

 

Aktuelle Messdaten aus Tirol sind jederzeit unter Messstationen verfügbar, die neuesten Karten von Schneehöhe, Wind und Temperatur unter Karten.

 

Auch in Innsbruck schneit es am Vormittag stark. (Bild vom 30.12.2011)

Nachtrag zum Lawinenunfall auf der Jöchlspitze...

 Am 29.12.2011 waren wir gemeinsam mit dem Einsatzleiter Adi Kerber bei der Unfallstelle. Wie nicht anders zu erwarten war, fehlen in dieser Höhenlage Schwachschichten innerhalb der Schneedecke.

 

Schneeprofil im Nahbereich des Lawinenanrisses Jöchlspitze (aufgenommen am 29.12.2011)

 

Die Schneedecke glitt direkt am Grasboden ab. Ein dünner Wasserfilm in Bodennähe begünstigt diesen Gleitprozess. Am Foto erkennt man sehr gut die Durchnässung an der Grenzfläche zwischen Boden und Schnee.

 

Wassergesättigter Schnee an der Grenzfläche zwischen Boden und Schnee

Donnerstag, 29. Dezember 2011

Anstieg der Gefahr durch Neuschnee und Wind

Von Norden her hat es heute Vormittag zu schneien begonnen und auch der Wind hat in der Höhe zugelegt. Wie im heutigen Lawinenlagebericht erwähnt, wird die Gefahr für Schneebrettlawinen in Nordtirol steigen, weil sich der momentan gebildete Triebschnee nur schlecht mit der lockeren Altschneedecke verbinden wird. Vor allem in steilen Schattenhängen können Lawinen an dieser Schichtgrenze ausgelöst werden.

 

In Föhnschneisen erreichte der Wind bereits gestern Nachmittag wieder Verfrachtungsstärke (im Bild: Pflerscher Pinggl, 28.12.2011 um 13 Uhr). Heute legte er weiter zu und die Anströmungsrichtung drehte auf Nordwest.

 

Gegen Mitternacht wurde der gestrige Südföhn am Sattelberg von Nord- und Nordwestwinden abgelöst (Visualisierung: LWD Tirol, Daten: Institut für Meteorologie und Geophysik, Uni Innsbruck).

Mehrere Unfälle durch zwei verschiedene Lawinentypen

Was den Auslösemechanismus betrifft - und der ist ja in der Vorhersage und bei der Vermeidung von Lawinen ausschlaggebend - so kann man ganz klar zwischen drei Lawinenarten unterscheiden:

1        Schneebrettlawinen ... Gebundener Schnee (bzw. das sogenannte "Schneebrett") gleitet auf einer Schwachschicht, in der sich ein durch Zusatzbelastung initiierter Bruch ausgebreitet hat, ab.

2        Lockerschneelawinen ... Ausgelöst an einem Punkt, rutscht lockerer Schnee nach unten und bildet einen birnenförmigen Anriss.

3        Gleitschneelawinen ... Das langsame Gleiten einer Schneetafel über einen glatten Untergrund geht plötzlich in eine Lawine über. Niemals(!) ist hier eine Zusatzbelastung (wie etwa ein Wintersportler) der Auslöser.

Mit Abstand die meisten Lawinenopfer werden von Schneebrettlawinen begraben, Lockerschneelawinen verschütten nur selten Personen, können aber Abstürze im Steilgelände verursachen. Gleitschneelawinen gefährden häufig Straßen und Bauten, verschütten aber nur äußerst selten Personen. Das gestern verunglückte Paragleiter-Paar wurden dennoch von einer Gleitschneelawine begraben. Sie waren in gewisser, tragischer Weise "am falschen Ort zur falschen Zeit".

 

Blick über den Lawinenkegel hinweg auf den Wiesenhang von dem die Gleitschneelawine abgegangen ist, die am 26.12. zwei Todesopfer gefordert hat (Bereich Jöchlspitze, Gemeinde Bach).

 

Die Unglückslawine hatte beachtliche Ausmaße. Die fatale Wirkung der Gleitschneemassen wurde jedoch zusätzlich verstärkt, da sich der ganze Schnee hinter einem Schutzwall staute, der seinerseits auch wegen der an dieser Stelle immer wieder drohenden Gefahr von Gleitschneelawinen zum Schutz von Piste und Gebäuden errichtet worden ist.

 

Trotz sofortiger Suche unter der Beteiligung von etlichen Helfern, drei Hubschraubern und einigen Lawinenhunden konnten die beiden Personen nur noch tot geborgen werden (Bereich Jöchlspitze, Gemeinde Bach).

 

Dass das Gefahrenmuster "Gleitschnee" momentan ein Problem darstellt, zeigte sich neben dem tödlichen Unfall im Außerfern zumindest auch an zwei weiteren Orten. Sowohl im Skigebiet Fiss/Serfaus (27.12.) als auch im Skigebiet Nordpark in Innsbruck (28.12.) ging eine Gleitschneelawine auf eine Skiroute bzw. Piste ab. Glücklicherweise konnten die Beteiligten in beiden Fällen rasch befreit werden.

 

Gleitschneerutsche und -lawinen prägen das Bild auf vielen Wiesenhängen. Das linke Bild wurde am 28.12. um 12:00 Uhr, das rechte um 13:30 aufgenommen. (Es handelt sich um Südhänge unterhalb der Pramarnspitze, Stubaier Alpen auf ca. 2300 m.)

 

Wie in den gestrigen Blogeinträgen bereits erwähnt, machen neben den Gleitschneelawinen auch hochalpine Schattenhänge derzeit Probleme. Der bereits analysierte Lawinenabgang am Pflerscher Pinggl (siehe gestriger Blog) ist nur eines von vier Ereignissen, das uns in den letzten Tagen gemeldet worden ist. Auch am Mittagskogel im Pitztal (auf 2500 m), am Hinteren Kreuzjoch im Paznauntal (auf ca. 2800 m) und an der Kuhscheibe im Ötztal (auf ca. 3150 m) wurden Lawinen durch Wintersportler ausgelöst. Bei allen vier Lawinenabgängen handelte es sich um Schneebrettlawinen und als Schwachschicht diente in jedem der Fälle Schwimmschnee, der sich während des Herbsts in schattigen Lagen oberhalb von ca. 2500 m gebildet hat.

 

Schneebrettlawine, ausgelöst unterhalb der Kuhscheibe, Stubaier Alpen, auf ca. 3150 m.

Mittwoch, 28. Dezember 2011

Lawinenabgang Jöchlspitze am 28.12.2011

Am 28.12. löste sich unmittelbar oberhalb der Bergstation der Jöchlspitze (Außerfern) eine Gleitschneelawine, als sich 2 aus Deutschland stammende Paragleiter gerade im Aufstieg zum Gipfel befanden. Im Gipfelhang waren bereits Risse, die auf eine mögliche Gefahr von Gleitschneelawinen hindeutete. Die Personen wurden von der Lawine erfasst und im Bereich eines Lawinenauffangdammes total verschüttet. Sie überlebten den Abgang nicht.

 

Das Bild zeigt die Grashänge im Bereich der Jöchlspitze, auf denen die Gleitschneelawine abgegangen ist. Kreis: Bergstation, Lawinendamm und Verschüttungsstellen

Lawinenabgang Pflerscher Pinggl am 27.12.2011

Am 28.12. waren wir gemeinsam mit der Alpinpolizei am Unfallort. Die Lawine wurde im extrem steilen schattigen Gelände auf ca. 2600m von einer insgesamt 5-köpfigen Gruppe, bestehend aus 2 Südtiroler und 3 Einheimischen, ausgelöst. 3 Personen wurden verschüttet, 2 davon total, wobei bei einer dieser Personen die Skier aus dem Schnee ragten. Ein Südtiroler musste reanimiert werden und befindet sich zur Zeit auf der Intensivstation in Innsbruck. Die Lawinenausmaße: 30m breit, 1150m lang, Anriss zwischen 0,2 bis 1,5m.

 

Lawinenunfall Pflerscher Pinggl (Südliche Stubaier Alpen) Kreis: Verschüttungsstellen

 

Die Gruppe befand sich im Aufstieg ca. 100m unterhalb des Grates. Am unteren Foto erkennt man einen Teil der Aufstiegspur sowie die Verschüttungsstellen.

 

Foto etwas unterhalb des Lawinenanrisses: Pfeil: Aufstiegsspur; Kreis: Verschüttungsstellen

 

Wenig überraschend diente als Gleitfläche die auch im Lawinenlagebericht erwähnte Schwimmschneeschicht, die sich während der langen Schönwetterperiode im November gebildet hat. Diese Schicht findet man v.a. in den Regionen entlang des Alpenhauptkammes oberhalb etwa 2500m in sehr steilen Schattenhängen.

 

Schneeprofil (28.12.2011) im Bereich des Lawinenanrisses unterhalb des Pflerscher Pinggls

Gleitschneelawinen sowie schattiges Steilgelände über 2500m bilden die Hauptgefahrenquellen

Umfangreiche Schneedeckenuntersuchungen in unterschiedlichsten Höhenlagen sowie Hangausrichtungen bestätigen den meist günstigen Schneedeckenaufbau mit einer Ausnahme: Speziell in den Regionen entlang des Alpenhauptkammes oberhalb etwa 2500m findet man unverändert ein zumindest teilweise aufbauend umgewandeltes Fundament, welches von den herbstlichen Schneefällen stammt. Der ab Anfang Dezember gefallene Schnee ist damit häufig noch nicht ideal verbunden.

 

Vereinzelte spontane Lawinen im hochalpinen, schattigen Steilgelände vom 22.12.2011 zeugen vom ungünstigen Schneedeckenaufbau. (Foto aufgenommen während eines Wartungsfluges am 27.12.2011, Bereich Hochgasser, Osttiroler Tauern).

 

Die zweite Hauptgefahrenquelle bilden zur Zeit Gleitschneelawinen. Diese rutschen vermehrt auf steilen, sonnenexponierten Grashängen ab. Die warmen Temperaturen in mittleren Höhenlagen begünstigen zudem die Anfeuchtung der Schneedecke, damit steigt auch die Gefahr solcher Lawinen. Ein Warnsignal für Gleitschneelawinen sind meist quer zum Hang verlaufende Risse in der Schneedecke und aufbrechende Lawinenmäuler. Die Bereiche unter solchen Gefahrenzeichen sollten unbedingt gemieden werden! Leider kann der Abgangszeitpunkt von Gleitschneelawinen nicht exakt vorhergesagt werden.

 

Eine Vielzahl von Gleitschneelawinen , Lawinenmäulern und Rissen in der Schneedecke auf einem besonnten Hang. (Foto aufgenommen während eines Wartungsfluges am 27.12.2011 in der Nähe des Alpenhauptkamms)

 

Abgesehen von den obigen Beispielen ist die Schneedecke jedoch recht stabil, durch die wärmeren letzten Tage konnte sich diese weiter setzen und gut verfestigen. Markante Schwachschichten sind nicht mehr flächendeckend zu finden. Dementsprechend konnte zuletzt auch steiles bis sehr steiles Gelände befahren werden.

 

Abfahrten sind aktuell auch  in steilem Gelände möglich. (Foto aufgenommen während eines Wartungsfluges am 27.12.2011, Bereich Hochgasser, Osttiroler Tauern)

Dienstag, 27. Dezember 2011

Gefahrenstellen v.a. in sehr steilen Schattenhängen oberhalb 2500m entlang des Alpenhauptkammes!

Derzeit beeinflusst ein Hochdruckgebiet das Wettergeschehen im Tiroler Raum. Damit einhergehend ist es milder, die Nullgradgrenze verabschiedet sich vorübergehend in höhere Lagen. Bevor sich jedoch diese Witterung einstellte, war es besonders um den heiligen Abend und den Christtag recht stürmisch, die den Wind verursachende Kaltfront brachte zudem etwas Neuschnee.

Ein Auf und Ab mit Wind und Lufttemperatur am Beispiel der Windstation Kreuzspitze (R10, Osttiroler Tauern): Die Windstärke nahm am 24.12.2011 enorm zu und ging erst in der Nacht auf heute (27.12.) zurück. Mit der Kaltfront am 24.12.2011 sackte die Temperatur etwas ab, danach wurde es aber besonders in höheren Lagen stetig wärmer und seit heute Nacht auch trockener! (Daten: LWD Tirol, Visualisierung: LWD Tirol)

 

Einen besonderen Effekt lässt die Temperaturkarte von heute früh erkennen: Am Berg ist es wärmer als im Tal: Eine solche Temperaturverteilung wird mit dem Begriff „Inversion" bezeichnet!

 

Lufttemperaturkarte vom 27.12.2011 um 05:00 Uhr: Bergstationen messen höhere Temperaturen als jene in Tallagen (z.B. Imst, 820m: -7°C, Muttekopfhütte, 1935m: +2°C).

 

Steigende Temperaturen bescherte uns der 26.12.2011. Der Sonnenschein war zwar in Teilen Nordtirols immer noch durch mittelhohe Bewölkung getrübt, aber sonderlich frieren brauchte keiner mehr. Aufgrund des starken Windes der vorhergehenden Tage war die Schneedecke in weiten Teilen Tirols sehr unregelmäßig verteilt.

 

Das Abendrot über Telfs kündigte am 25.12.2011 eine sonnigere Wetterperiode an.

 

Jene Kaltfront, die den heiligen Abend in Tirol beeinflusste, machte sich am 25.12.2011 wieder schnell aus dem Staub. Jedoch konnte die Sonne nicht ungetrübt genossen werden: Wolken aus einer Warmfront verhinderten einen sonnigeren Tag in Nordtirol. In Osttirol hingegen schien die Sonne beinahe ungetrübt vom Himmel. Dies kann aber nicht über die immer noch unterdurchschnittliche Schneemenge in Osttirol hinwegtäuschen.

 

Die südlichen Landesteile sind in punkto Schneelage noch immer im Hintertreffen: Während es in den typischen Nordweststaugebieten Nordtirols schon eine mächtige Schneedecke gibt, findet man in Osttirol generell wenig Schnee. Dieser wenige Schnee wurde dann oft noch durch starken Wind massiv verfrachtet (Bild vom 25.12.2011, Marchkinele)

 

In Nordtirol hingegen kann man mit der Menge der Schneeauflage durchaus zufrieden sein....

 

Auf dem Weg zum Malgrabenkopf: Eindeutiges Windzeichen in der rechten Bildhälfte! Durch die kalten Temperaturen am 25.12.2011 ist noch eine Pulverschneeabfahrt möglich (Bild vom 25.12.2011).

 

Nach einem herrlich sonnigen 23.12.2011 mit warmen Temperaturen folgte in der Nacht zum 24.12.2011 eine kräftige Kaltfront aus Nordwesten. Die Neuschneemengen aus dieser Kaltfront waren jedoch im Vergleich zu den vorhergehenden Schneefällen eher gering. Zudem frischte der NW-Wind besonders in höheren Lagen enorm auf. Diese starke Höhenströmung führte zu größeren Schneeumlagerungen und zur Bildung von neuen Triebschneepaketen, die besonders in kammnahen Steilhängen zu stören sind.

 

Gegen 12:45 Uhr am 24.12.2011 ging im Skigebiet Jöchelspitze (Gemeinde Bach) im Außerfern eine Gleitschneelawine auf eine gesperrte Piste ab. Da aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse eine etwaige Personenverschüttung nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde eine Suchaktion gestartet. Diese konnte jedoch zum Glück bald abgebrochen werden.

 

Die Kaltfront erreicht den Osttiroler Tauernkamm: sehr stürmische Bedingungen und Neuschnee am Weg zum Hochgasser (Bild vom 24.12.2011)

Freitag, 23. Dezember 2011

Deutliche Entspannung der Lawinengefahr!


Schnee löst sich im sehr steilen sonnenbeschienenen Gelände (23.12.2011)
Frühjahrsähnliche Temperaturen führen im Tagesverlauf zu einer oberflächennahen Durchfeuchtung der Schneedecke in sehr steilen, von der Sonne beschienenen Hängen. Dort lösen sich Schneemassen immer wieder von selbst. In Summe wirken sich die Temperaturen jedoch positiv auf die Schneedecke aus, welches sich zusehends setzt. So stellen wir bei unseren Schneedeckenuntersuchungen inzwischen eine meist gute Verbindung der Schichten im Bereich der dünnen Regenkruste vom 16.12. (samt kleiner kantiger Kristalle) fest. Problembereiche gibt es weiterhin v.a. in schattigen Hängen oberhalb etwa 2500m, wo sich bodennah Schwimmschnee vom Frühwinter befindet.

Ein typisches Bild aus den schneereichen Regionen Tirols (im Bild Arlberg): Windeinfluss der vergangenen Tage, Sprengerfolge mit GazEx (Als Gleitfläche dient eingeschneiter Graupel vom 22.12.), Rissbildungen, auf steilen, glatten Wiesenhängen (unterhalb der Stütze) - Foto vom 23.12.
Der Höhepunkt der Lawinengefahr wurde während der Nachtstunden vom 22.12. auf den 23.12. erreicht. In weiten Teilen Tirols sind als Folge der Erwärmung und des Regens zahlreiche spontane Gleitschneelawinen (vermehrt in tiefen und mittleren Höhenlagen) sowie vereinzelte spontane Schneebrettlawinen in höheren, kammnahen Bereichen abgegangen. Sprengerfolge am 23.12. waren unterschiedlich. Gute Erfolge gab es nur im Bereich der gestern eingeschneiten Graupelschicht.

…Risse in der Schneedecke sowie eine bereits abgegangene Gleitschneelawine (23.12. - St.Anton am Arlberg)
Ein typisches Bild in tiefen und mittleren Lagen…

Die Schneestruktur weist auf intensiven Regeneinfluss hin. (23.12.2011, Arlberg)

Donnerstag, 22. Dezember 2011

Deutlicher Temperaturanstieg: Schnee geht am Abend des 22.12. in tiefen und mittleren Höhenlagen in Regen über. Gefahr von Nassschneelawinen steigt dort an!



Neuerlich viel Neuschnee in weiten Teilen Tirols


Am 22.12. schneit es in weiten Teilen Tirols zum Teil ergiebig. Einzig das südliche Osttirol geht (wieder) fast leer aus. Bemerkenswert ist v.a. der deutliche Temperaturanstieg im Tagesverlauf sowie der Übergang von Schnee in Regen während der Abendstunden.

Deutlich zu erkennen: Viel Neuschnee, deutlicher Temperaturanstieg sowie Wind, der in der Höhe aus nördlicher Richtung kräftig genug weht, um Schnee zu verfrachten (Station Seegrube, Hafelekar oberhalb von Innsbruck)

Trübes Wetter mit mäßigem bis kräftigem Schneefall. In tieferen Lagen ist es meist sogar windstill...

Zum Teil starker Schneefall v.a. in Nordtirol (22.12.2011, Zäunlkopf, Westliche Nordalpen)

Trüb ist es auch in Osttirol...

Am Weg zur Pürglers Kunke (22.12.2011, Zentralosttirol)

Mittwoch, 21. Dezember 2011

Neuerlich Neuschnee und Wind - Im Westen teils große Lawinengefahr

Zur Zeit eine der Untersuchungsschwerpunkte: Regenkruste vom 16.12.2011 und eine ev. Bildung einer kantigen Schicht im unmittelbaren Grenzbereich (Bild vom 20.12.2011, Westliche Nordalpen)

 

Vom Schneedeckenaufbau besonders zu berücksichtigen ist derzeit frischer Triebschnee auf der bis gestern noch kalten, lockeren Altschneeoberfläche. Weiters haben wir vereinzelt (besonders im Außerfern) im Bereich einer dünnen Regenkruste, die sich am 16.12. gebildet hat, eine ebenso dünne kantige Schicht gefunden. Meist - wie auch die heutigen Untersuchungen im Bereich dieser Regenschicht zeigten - dürfte die kantige Schicht nur stellenweise ausgeprägt genug sein, um für eine Gleitfläche von Lawinen in Frage zu kommen. Dies ist am ehesten im Außerfern in einem Höhenbereich zwischen 1500m und 1800m in Betracht zu ziehen. Oberhalb etwa 2500m muss zusätzlich besonders in Schattenhängen auf bodennahen Schwimmschnee geachtet werden!

 

Ausschnitt aus der Startseite von www.lawinen.at vom 21.12.2011

 

Schneefall und Wind wirken sich auf die Lawinengefahr aus. Im Westen des Landes (auch in Vorarlberg) wurde erstmals während des Winters Stufe 4 ausgegeben. Einen guten Überblick über die Gefahrensituation in ganz Österreich findet sich übrigens unter www.lawinen.at.

 

 

Differenz der Gesamtschneehöhe während der vergangenen 24 Stunden (Datengrundlage: automatisch gemessene Wetterdaten unseres Stationsnetzes)

 

Wieder schneite es in Tirol zum Teil ergiebig. Am Arlberg waren es bis zu 60cm. Der Wind hat zugelegt und führt oberhalb der Waldgrenze zu neuerlichen Verfrachtungen.

 

Unterwegs in den westlichen Nordalpen. Es hat bereits stark zu schneien begonnen (20.12.2011)

 

Am 20.12. vormittags ist die Warmfront eingetroffen. Die Warmfront glitt auf die kalte Luftmasse auf und verursachte dadurch starke Niederschläge, insbesondere im Westen des Landes. Sogar in Innsbruck liegt nun 20cm Schnee.

Dienstag, 20. Dezember 2011

Lawinenabgang durch schwer erkennbare Schwachschicht

Momentan findet man in großen Teilen der Tiroler Nordalpen traumhaften Tiefschnee. Allerdings ist in Steilhängen nach wie vor Vorsicht geboten und zwar aus mehreren Gründen:

  • Hochalpin lagert der Triebschnee der letzten Sturmperiode auf einem schwachen Schwimmschneefundament und kann daher relativ leicht gestört werden (Gefahrenmuster "der zweite Schneefall").
  • In mittleren Lagen (bis ca. 2100 m) hat sich zwischen dem kalten, windverfrachteten Neuschnee aus der Kaltfront vom 17.12. und dem der warmen, in tieferen Lagen durch den Regen vom 16.12. beeinflussten Schnee eine Schwachschicht gebildet. Sie besteht aus aufbauend umgewandelten Kristallen. Ist der darüberliegende Schnee gebunden - was in eingewehten Bereichen immer der Fall ist - dann kann in dieser Schwachschicht leicht ein Bruch erzeugt werden.
  • Die obersten 20-30 cm sind fast ohne Windeinfluss gefallen, wodurch manche Gefahrenzeichen, die auf Triebschnee hindeuten würden, verdeckt worden sind.
  • Nicht zuletzt ist auch die Gefahr durch Gleitschneelawinen aus steilen Wiesenhängen noch nicht gebannt.

 

Leider hat es am Sonntag, den 18.12.2011 im Gipfelhang der Engelspitze (Gemeindegebiet Namlos) einen Lawinenabgang mit Personenbeteiligung gegeben. Die letztendlich ganz verschüttete Person hat dabei das Schneebrett in einem ca. 37° steilen Nordwesthang selbst ausgelöst. Nach einer lobenswerten und den Verhältnissen entsprechend sehr schnellen Bergung wurde der Verletzte mit dem Notarzthubschrauber abtransportiert.

 

Der Anriss der Unglückslawine im 37° steilen Nordwesthang war ca. 50 cm mächtig. Das Bild wurde am 19.12.2011 in Blickrichtung Südwesten aufgenommen. Die Latschen deuten den Rücken, über den der Südföhn den Hang eingeweht hat, an.

 

Unsere Geländeuntersuchungen zeigen, dass das Schneebrett wider Erwarten nicht an einer Schichtgrenze innerhalb des Triebschnees vom Wochenende abgeglitten ist. Vielmehr hat die hohe Schneefallgrenze zu Beginn der Niederschläge am Freitag dafür gesorgt, dass die Altschneeoberfläche feucht oder zumindest bis nahe an den Gefrierpunkt aufgewärmt wurde. Danach hat es weiterhin ergiebig geschneit, allerdings kalt! Dadurch entstanden spröde Schneebretter und an der Schichtgrenze bildeten sich kantige Kristalle infolge des markanten Temperatursprunges innerhalb der Schneedecke. In Lagen unter 1800 m befindet sich unterhalb der Schwachschicht eine dünne Schmelzkruste.

 

Im Schneeprofil, das am Lawinenanriss aufgenommen wurde, ist die weiche Schwachschicht nicht nur an dem vorherrschenden kantigen Kristallen, sondern auch an dem Temperatursprung zu erkennen. Der Umstand, dass sich dieser auch drei Tage nach Niederschlagsbeginn noch nicht abgebaut hat, lässt darauf schließen, dass die aufbauende Umwandlung hier noch nicht abgeschlossen ist und diese Schicht noch einige Zeit problematisch sein könnte.

 

Auffällig ist, dass in diesem Fall nur eineinhalb Tage zwischen dem Beginn des Schneefalls und dem Lawinenabgang vergangen sind. Das Lawinengefahrenmuster "kalt auf warm" bildete sich somit sehr schnell aus. Es ist wohl davon auszugehen, dass uns diese schwache Schicht noch einige Zeit erhalten bleiben wird – wenn auch räumlich begrenzt, nämlich nur in mittleren Höhenlagen im Nordwesten des Landes.

 

 

Ein Auslösetest (ECT) bestätigt, dass die erwähnte Schwachschicht leicht zu stören ist und sich ein Bruch in ihr gut fortpflanzen kann. Im Bild ist Kollaps der Schicht gut als Riss, der sich von der Schaufel nach rechts zieht, zu erkennen.

Durchaus tückisch im Westen

Nach den Schneefällen vom Freitag und Samstag, die im Westen Tirols ergiebig ausgefallen sind, beruhigte sich das Wetter am Sonntag, den 18.12.2011. Tirol zeigt sich nun endgültig im tiefwinterlichem Gewand.

 

Aufklarender Himmel über dem verschneiten Ötztal (Bild vom 18.12.2011).

 

In den letzten Stunden des Schneefalls hat der Wind häufig deutlich nachgelassen und nicht zuletzt deswegen findet man vielerorts prächtige Tiefschneehänge. Allerdings verwischt der zuletzt gefallene, wenig vom Wind beeinflusste Schnee viele Warnhinweise auf Triebschnee und damit Lawinengefahr!

 

Die Daten der Wetterstationen auf der Seegrube und dem Hafelekar (beide oberhalb von Innsbruck) verdeutlichen, dass in der Nacht von 17. auf 18.12. zwar der Wind deutlich nachgelassen hat, der Schneefall aber erst in den Morgenstunden des 18.12. geendet hat.

 

In weiten Teilen Tirols, vor allem im Westen wie z.B. in Berwang (Bild vom „Joch", 18.12.2011), findet man momentan prächtigen Pulverschnee.

 

Dass die Situation im Westen des Landes auch in mittleren Höhenlagen angespannt ist, beweisen jüngste Sprengerfolge im Arlberggebiet und leider auch ein Lawinenabgang mit Personenbeteiligung im Außerfern (siehe nächsten Blog für eine Analyse). Hochalpin lagert der Triebschnee auf einem schwachen Schwimmschneefundament, in mittleren Lagen hat sich infolge des Regens vom Freitag, den 16.12. und des anschließenden kalten Schneefalls eine heikle, aufbauend umgewandelte Zwischenschicht gebildet (Lawinengefahrenmuster "kalt auf warm").


Diese Lawinensprengung auf der Valluga (Arlberggebiet) vom 19.12.2011 darf durchaus als erfolgreich bezeichnet werden und verdeutlicht die nach wie vor nicht zu unterschätzende Schneebrettgefahr. Als Gleitfläche für das Schneebrett hat hier -  auf 2800 m - das Schwimmschneefundament gedient.

 

Im Osten Nordtirols und in Osttirol ist die Situation ein wenig anders. Hier ist generell weniger Schnee gefallen, beim Skifahren abseits der Pisten muss man noch auf Steine achten, aber dafür ist die Lawinensituation nicht so dramatisch. Steile, kammnahe Bereiche sowie triebschneegefüllte Rinnen und Mulden über der Waldgrenze sollten jedoch auch hier eher gemieden werden.

 

Die Schneequalität ist auch im Osten Nordtirols und in Osttirol gut, die Menge aber geringer als in den westlichen Landesteilen. Man sollte sich in Osttirol deshalb jedoch nicht in triebschneegefülltes Steilgelände oberhalb ca. 1800 m treiben lassen! Die Lawinengefahr ist dort nach wie vor als erheblich einzustufen, wobei sie in den Osttiroler Tauern größer ist als in den Lienzer Dolomiten. (Das Bild vom 18.12.2011 zeigt zwei Skitourengeher am Weg zur Hochalmspitze in Villgraten).

Sonntag, 18. Dezember 2011

Klassischer Lawinenmix: Neuschnee, Wind und kalte Temperaturen!

Frische Triebschneeansammlungen sind derzeit zumindest oberhalb der Waldgrenze recht leicht zu stören. Schuld daran haben der Neuschnee samt Wind und die inzwischen kalten Temperaturen. Bitte trotz des mitunter tollen Pulverschnees sehr steile Triebschneehänge möglichst meiden! Die während der vergangenen Tage aufsummierten Neuschneemengen sind zum Teil beachtlich. Am meisten Schnee ist im Westen des Landes gefallen.

 

Die von den Wetterstationsdaten abgeleitete Differenz der Gesamtschneehöhe während der vergangenen 72 Stunden

 

Während der vergangenen Tage wehte stürmischer bis starker Wind auf den Bergen!

Während der vergangenen Tage wehte stürmischer Wind auf den Bergen, der erst jetzt nachgelassen hat

 

Es wurde kalt...

Die Kombination aus Neuschnee, Wind und kalten Temperaturen bilden einen idealen „Lawinenmix"

 

 

Schneeverfrachtungen gibt es mitunter auch unterhalb der Waldgrenze.

 

Venetalm (Bild vom 17.12.2011)

 

Am 17.12. wurde in einigen Landesteilen - speziell im Westen - Graupel beobachtet. Dieser kann kleinräumig mitunter als Gleitfläche für Schneebrettlawinen dienen.

 

Graupel in Tannheim (17.12.2011)

 

Ein typisches Bild vom schneeärmeren Osten des Landes

 

Wintersportler werden derzeit teilweise auch aufgrund der Schneelage magisch in eingewehte Hänge gezogen (Kitzbüheler Alpen; Foto vom 16.12.2011)

 

In höheren, schattigen Lagen findet sich eine ausgeprägte Schwimmschneeschicht, die vom Herbst stammt.

 

Speziell oberhalb etwa 2400m findet sich schattseitig in Bodennähe Schwimmschnee. Auf Gletschern ist dies vermehrt auch in Ost- und Westhängen zu beobachten.