Sonntag, 26. April 2015

Gefahrenbereiche verlagern sich zusehends in größere Höhen

Im gestrigen Blog vom 25.04. haben wir erwähnt, dass kleine Änderungen im Wettergeschehen große Auswirkungen auf die Lawinengefahr im Frühjahr haben können. Da wir gestern ein etwas anderes Bild des Wettergeschehens und der Schneedeckenentwicklung für heute im Kopf hatten, hier eine kurze Aktualisierung.

 

Konkret geht es darum, dass gestern während des Tages – wie vorhergesagt – Wolken aufgezogen sind. Allerdings war die Abschattung der Sonne durch die Wolken weniger ausgeprägt und somit die diffuse Strahlung mitunter kräftiger als angenommen. Anhand der Wetterstationen sah man heute am 26.04. in der Früh häufig Schneeoberflächentemperaturen um 0 Grad.

 

Wie im heutigen Lawinenlagebericht beschrieben, findet man Gefahrenstellen derzeit am ehesten im sehr steilen schattigen Gelände zwischen etwa 2100m und 2400m sowie in sehr steilen besonnten Hängen zwischen etwa 2300m und 2600m, im extrem steilen besonnten Gelände am Nachmittag vereinzelt auch darüber.

 

Schattseitiges Gelände wird durch die zunehmende Durchfeuchtung der Schneedecke wieder störanfälliger. Derzeit betrifft dies ein Höhenband zwischen etwa 2100m und 2400m. Die vorhergesagte Kaltfront vom 27.04. auf den 28.04. wird kurzfristig zu einer leichten Besserung führen, bis die Schneedecke neuerlich feuchter wird… Kalkkögel, Nördliche Stubaier Alpen, Nachtrag: Die Lawinen am Bild dürften am 17.4. abgegangen sei, als es regnerisch, warm und diffus war. (Foto: 26.04.2015)

 

Samstag, 25. April 2015

Kurze Gedanken zum Frühjahr und zum Schneefall in den Osttiroler Tauern

Das Frühjahr ist dafür bekannt, dass sich die Lawinengefahr rasch zum Guten bzw. zum Schlechten ändern kann. Schlechter wird es immer dann, wenn die Schneedecke massiv durchnässt wird (und noch nicht allzu viele Auftau- und Wiedergefrierzyklen hinter sich hat.). Besser wird es u.a. nach deutlicher nächtlicher Abstrahlung. Nach Schneefällen verliert die Schneedecke hingegen durch den Strahlungseinfluss kurzfristig an Festigkeit, stabilisiert sich dann aber wieder sehr rasch. Letzteren Fall beobachten wir gerade in den Osttiroler Tauern.

 

Hochwinterbilder mitten im Frühjahr aus dem Defereggental (Foto: 24.04.2015)

 

An der Wetterstation bei Kals am Großglockner in den Osttiroler Tauern erkennt man die deutliche Abnahme der Schneehöhe ab den Nachmittagsstunden. Die Schneedecke hat sich dort inzwischen gut gesetzt und stabilisiert.

 

Kurzer Ausblick: Die heutige Nacht vom 25.04. auf den 26.04. wird nicht mehr klar sein. In tieferen Lagen wird die Schneequalität darunter etwas leiden. Harschdeckel können am Morgen v.a. unterhalb etwa 2200m mitunter brüchig sein. Darüber sollten diese (derzeit recht ausgeprägten) Deckel jedoch weiterhin tragfähig sein. Das Hauptkriterium wird morgen jedoch nicht so sehr die Lawinengefahr, sondern eher die zunehmend schlechten Sichtverhältnisse v.a. entlang des Hauptkammes und südlich davon sein.

 

Von Montag auf Dienstag wird eine Kaltfront vermehrt in Nordtirol Schnee bringen. Wir erwarten dann eine ähnliche Entwicklung wie gerade in den Osttiroler Tauern…

 

Freitag, 24. April 2015

Viel Neuschnee in den Osttiroler Tauern – kurzfristig erhebliche Gefahr – Hauptgefahr stellen Gleitschneelawinen auf steilen Wiesenhängen und Lockerschneelawinen aus felsigem Gelände dar

Wie von der ZAMG-Wetterdienststelle prognostiziert haben Teile Osttirols von gestern auf heute beachtlichen Neuschneezuwachs bekommen. Am meisten hat es in den Osttiroler Tauern geschneit. Dort waren es auf etwa 2000m teilweise bis zu 50cm, in größeren Höhen lokal bis zu 75cm Neuschnee.
 
 
Tief winterlich schaut es in der Früh des 24.04.2015 in den nördlichen Teilen Osttirols aus
 
Heute am 24.04. wird man deshalb vermehrt Gleitschneelawinen auf steilen Wiesenhängen beobachten können. Dies v.a. auf steilen Wiesenhängen dort, wo es vor diesen Schneefällen bereits aper war.
 
Schnee gleitet auf steilen, glatten Flächen am Boden ab. Auf diesem Bild vom 19.04. im Bereich des Räuhengrates in den Nördlichen Stubaier Alpen dienen glatte Felsen als Gleitfläche. In Osttirol werden Gleitschneerisse und -lawinen heute am 24.04. v.a. auf steilen Wiesenhängen zu beobachten sein.
 
Schneebrettlawinen können in den neuschneereichen Osttiroler Tauern am ehesten im sehr steilen schattigen Gelände in einem Höhenbereich um etwa 2200m ausgelöst werden. Mitunter kann der oberflächennahe Harschdeckel der Last des Neuschnees nicht standhalten, insbesondere dann, wenn von weiter oben Lockerschneelawinen abgehen und dadurch große Belastung auf die Schneedecke einwirkt.
 
Schneebrettlawinen sind derzeit am ehesten in den Osttiroler Tauern im schattigen Gelände um etwa 2200m auszulösen. V.a. hochalpin ist dort kurzfristig auch auf frischen, kammnahen Triebschnee zu achten.
 
Meist findet man einen dicken, die Schneedecke stabilisierenden Harschdeckel (blauer Pfeil), der sich während der vergangenen Schönwettertage gebildet hat, darunter vielerorts (außer in höheren Lagen schattseitig) feuchten bzw. nassen Altschnee (roter Pfeil). Schnapfenspitze, Silvretta (Foto: 21.04.2015)
 
Ähnlich wie während der vergangenen Tage wird auch der heutige 24.04. ein strahlend schöner Tag werden. Geringe Luftfeuchtigkeit erkennt man dabei u.a. an Kondensstreifen, die eher kurz sind und sich rasch auflösen. Silvretta (Foto: 21.04.2015)
 
Noch gibt sich der Winter also nicht geschlagen (auch Anfang nächster Woche soll wieder Schnee dazukommen. Dennoch lässt sich der Frühling nicht aufhalten…
 
Murmeltiere werden zunehmend aktiv. Valsertal, Tuxer Alpen (Foto: 23.04.2015)
 
Auch im hoch gelegenen Vent zieht sich der Schnee zunehmend zurück (Foto: 21.04.2015)
 

Montag, 20. April 2015

Bei richtiger Zeiteinteilung günstige Tourenverhältnisse bei oftmals traumhaftem Firn

Kurz und bündig. Wer Zeit hat, sollte diese nützen. Aufgrund der sehr trockenen Luft kann sich die Schneedecke derzeit über Nacht gut abkühlen. Man findet am Morgen verbreitet einen tragfähigen Harschdeckel, der meist erst gegen Mittag (je nach Höhenlage und Exposition) sich aufzuweichen beginnt.

 

Am Morgen besteht v.a. Absturzgefahr (Foto: 20.04.2015)

 

Firn bei rechtzeitiger Abfahrt; Nockspitze (Foto: 20.04.2015)

 

Vorsicht vor Gleitschneelawinen (Foto: 20.04.2015)

 

Schneebrettlawinen lassen sich derzeit am ehesten schattseitig in einem Höhenbereich um 2200m sowie allgemein in besonntem stark durchfeuchtetem Gelände auslösen. (Foto: 20.04.2015)

 

Freitag, 17. April 2015

Frühjahrssituation wird kurzfristig von Kaltfront unterbrochen. Unterhalb etwa 2500m häufig schlechte Schneequalität

Das Frühjahr hinterlässt seine Spuren. Der Schnee schmilzt stetig dahin. Die Durchfeuchtung der Schneedecke schreitet voran und verlagert sich zunehmend in höhere Bereiche. Schattseitig ist die Schneedecke derzeit meist bis zumindest 2000m hinauf isotherm, d.h. die Schneedecke erreichte dort überall die 0 Grad.
 
Im Gebirge Schnee, im Tal wird’s grün, Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 15.04.2015)
 
Die Lawinengefahr wird weiterhin im Wesentlichen von der Durchfeuchtung bestimmt. Dabei kommt der nächtlichen Ausstrahlung und Abkühlung der Schneedecke eine entscheidende Bedeutung zu.
 
Wolkenaufzug beeinträchtigt die nächtliche Ausstrahlung. Die Bedingungen sind nach wolkenverhangenen Nächten am Morgen immer ungünstiger als nach klaren, trockenen Nächten. (Foto: 16.04.2015)
 
Dünne Harschdeckel sind kein Genuss zum Skifahren. Zusätzlich können sich Harschdeckel, wenn der Schnee darunter völlig durchnässt und noch eher locker ist, auch als Schneebrett lösen (Foto: 14.04.2015)
 
Variantenfahrer lösten am 14.04. nachmittags oberhalb des Steißbachtales im Arlberggebiet dieses nasse Schneebrett aus. Falsche Zeitplanung! (Foto: 15.04.2015)
 
Bei richtiger Zeiteinteilung im extrem steilen Gelände bei Firn unterwegs, Osttirol (Foto: 16.04.2015)
 
Schattseitig heißt es v.a. in tieferen Lagen auf die Durchnässung aufzupassen. In größeren Höhen findet man vereinzelt in oberflächennahen Schichten in einem Höhenbereich zwischen etwa 2200m und 2800m dünne Schmelzkrusten vom 26.03., darunter kantige Kristalle. Stabilitätstests zeigen selten eine Tendenz zur Bruchfortpflanzung. Vereinzelt dürfte dies jedoch noch möglich sein.
 
Mehrschichtiger Bruch im schattigen, extrem steilen Gelände in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 16.04.2015)
 
Bodennah sollte sich die Schneedecke schattseitig in größeren Höhen weiterhin nur in Ausnahmefällen im extrem steilen Gelände im Bereich von kleinen Schwimmschneenestern stören lassen.
 
Bodennaher verkrusteter Schwimmschnee im extrem steilen, schattigen Gelände auf ca. 2300m in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 16.04.2015)
 
Vom 17.04. auf den 18.04. ist Neuschnee vorhergesagt. Zurzeit (17.04. 16:30 Uhr) regnet es noch bis ca. 2100m hinauf. Die Schneefallgrenze wird sinken. Dennoch wird sich die Schneedecke nicht optimal abkühlen können. Der Neuschnee wird eher den Nassschnee isolieren als diesen abkühlen.
 
Die Voraussetzungen für das Wochenende sind somit nur in größeren Höhen gut.
Somit unser Tipp: Entweder große Höhen aufsuchen und dann mit der zu erwartenden Sonneneinstrahlung spätestens ab 19.04. vermehrt auf Lockerschneelawinen achten oder aber Pistenskifahren gehen (selten war so wenig los wie jetzt bei perfekten Pistenverhältnissen) oder aber Pistenskitouren dort unternehmen, wo der Liftbetrieb bereits eingestellt ist.
 
Liftbetrieb am Arlberg bis ins Tal (Foto: 15.04.2015)
 
Eine gute Wahl für das Wochenende: Pistentouren in tieferen Höhenlagen, Axamer Lizum, Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 16.04.2015)
 
Die Schneedecke wird in tieferen Lagen immer feuchter
 
Neuschnee bringt Pulver in großen Höhen, aber auch vermehrte Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände.
 

Montag, 13. April 2015

Details zum tödlichen Lawinenunfall unterhalb der Gargglerin in den Südlichen Stubaier Alpen vom 12.04.2015 inklusive kurzer Rückblick auf das vergangene, lawinenaktive Wochenende


Dank der Unterstützung durch die Alpinpolizei konnten wir uns heute am 13.04. den Lawinenunfall unterhalb der Gargglerin genauer anschauen.

Bei der Unfalllawine handelte es sich um eine große spontane, nasse Schneebrettlawine, die zwei Skitourengeher bei der Abfahrt erfasst, mitgerissen und total verschüttet hat. Wie im vorigen Blogeintrag schon erwähnt, wurde eine der Personen getötet, die andere konnte nach 10 Stunden Verschüttungszeit ansprechbar ausgegraben werden. Die Schneebrettlawine riss in einem extrem steilen O-exponierten Hang in einer Seehöhe von etwa 2300m um die Mittagszeit. Die Anrissmächtigkeit variierte von ca. 0,3m - 2,5m. Die Lawine ist ca. 1000m lang und 170m breit.


Die Unfalllawine unterhalb der Gargglerin im Sandestal, einem kleinen Seitental des Gschnitztals in den Südlichen Stubaier Alpen. Die Personen wurden am linken Lawinenkegels aufgefunden.  (Foto: 13.04.2015)

Als Auslöseursache kommt primär die massive, auch entsprechend vorhergesagte Durchnässung der Schneedecke während des Wochenendes in Frage.

An der, in der Nähe des Unfallortes stehenden Wetterstation Gallreideschrofen erkennt man wichtige Einflussgrößen für die Lawinensituation. Konzentrieren wir uns primär auf den violett eingekreisten Bereich: (grau: Schneeoberflächentemperatur; rot: Lufttemperatur; blau: Taupunkt, ein Feuchtemaß der Luft). Man erkennt einerseits die rasche Durchnässung der Schneedecke am 11.04. (graue Linie geht zu 0), zudem den Bewölkungsaufzug während der Abend- und Nachtstunden (rote und blaue Linie treffen sich). Die Schneedecke konnte sich somit während der Nacht kaum auskühlen. Zum Vergleich: Vom 12.04. auf den 13.04. war dies wieder der Fall, weil die Luft deutlich trockener wurde. Schauen wir uns nun die Globalstrahlung an: Zwar war die Strahlungsenergie am 11.04. und 12.04. vergleichsweise geringer als an den vorangegangenen wolkenarmen Tagen, allerdings muss man wissen, dass diffuse Strahlung (Gegenstrahlung aufgrund von Wolken) zu 100% von der Schneedecke aufgenommen wird, während dies bei direkter Sonneneinstrahlung nicht der Fall ist.

Die Schneedecke hatte somit bereits am 12.04. in der Früh wenig bis keine Festigkeitsreserven. Ein lawinenaktiver Tag war somit bereits von der Früh weg vorprogrammiert. 

Beim Lawinenabgang dienten schlussendlich ältere, ursprünglich aufbauend umgewandelte Schichten als primäre Gleitfläche für die Schneebrettlawine. Zusätzlich erscheint es wahrscheinlich (ist aber nicht unbedingt als Erklärung notwendig), dass ein Impuls einer nassen Lockerschneelawine zum Bruch des Schneebrettes geführt hat.

Im Anrissbereich: Aus felsdurchsetztem Gelände oberhalb des Anrisses erkennt man einige nasse Lockerschneelawinen (zwei davon wurden eingezeichnet), die ev. den Impuls für den Abgang des Schneebrettes gegeben haben. (Foto: 13.04.2015)

Am Lawinenanriss (Neigung am Fotostandort knapp 50 Grad). Die Schneedecke war hier völlig durchnässt. (Foto: 13.04.2015)

Das Schneeprofil im Anrissbereich zeigt u.a. die massive Durchnässung der Schneedecke

Der Lawinenkegel: Die Skitourengeher befanden sich gerade bei der Abfahrt ins Tal, als sie vom spontanen Schneebrett erfasst wurden. Der Pfeil zeigt die Abfahrtsrichtung, die zwei Kreise die Verschüttungsstellen (Foto: 13.04.2015)

Die Erklärung der langen Überlebenszeit eines der Verschütteten liegt übrigens darin, dass seine Atemwege frei waren und zusätzlich offensichtlich zwischen Lawinenknollen genügend Luftzufuhr von außen gegeben sein musste.

Abgesehen von diesem tödlichen Lawinenunfall, bei dem Pech und Glück so nahe beieinander lagen, hatten viele Wintersportler am vergangenen Wochenende extremes Glück (sh. u.a. auch vorige Blogeinträge: Lawinenabgänge Schöntal, Brunnensteinspitze).

Drei Personen lösten am 12.04. um 13:05 bei der Abfahrt von der Alplespleisspitze (Region Arlberg-Außerfern) dieses Schneebrett aus und blieben unverletzt. (Foto: 12.04.2015)

Am 12.04. löste sich in der Schlick eine nasse Lockerschneelawine, in Folge eine Schneebrettlawine, die sich langsam Richtung Piste ergoss. Es kam niemand zu Schaden. (Foto: 13.04.2015)

Wie schon erwähnt, in ganz Tirol gingen einige Lawinen von selbst ab. Dabei handelte es sich fast ausschließlich um sehr steiles, der Sonne zugewandtes Gelände.
Spontane Nassschneelawine im Bereich des Niederen Zauns in Osttirol (Foto: 11.04.2015)

Blick von der Jamtalhütte in Richtung spontaner Lawinen, die am 12.04. kurz nach Mittag abgegangen sind. Hüttenwirt Gottlieb Lorenz veranlasste übrigens einen frühmorgendlichen Gepäcktransport ins Tal, um zu verhindern, dass Personen gegen Mittag das Tal verlassen würden…

Eine weitere spontane Schneebrettlawine vom 12.04. im Gschnitztal, die durch eine Lockerschneelawine ausgelöst wurde (Foto: 13.04.2015)

Auch Gleitschneelawinen waren ein Thema, wie diese, vermutlich am 12.04. abgegangene unterhalb der Nockspitze in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 13.04.2015)

Nicht unerwähnt muss auch bleiben, dass in hoch gelegenen Regionen am Wochenende teilweise durchaus gute Skitourenbedingungen vorzufinden waren. Regen in tieferen Lagen führte zu Neuschnee und kurzfristig sogar Pulver in hochalpinen Bereichen.

Pulverschnee am Langferner in den Südlichen Ötztaler Alpen (Foto: 12.04.2015)

Ein lawinenreiches Wochenende ist hinter uns. Tödliches Lawinenunglück im Bereich der Gargglerin im Gschnitztal, eine Person überlebt 10 Stunden unter der Lawine!

Die zunehmende Durchfeuchtung bzw. Durchnässung der Schneedecke bescherte uns, wie vorhergesagt, ein lawinenreiches Wochenende. Neben viel Glück hat es leider auch einen tödlichen Lawinenunfall gegeben. Unseren ersten Informationen zu Folge passierte der Unfall im Bereich der Gargglerin im Gschnitztal in den Südlichen Stubaier Alpen. Der Unfall blieb vorerst unbemerkt. Aufgrund einer Vermisstenmeldung wurde die Suche gestartet und schlussendlich der Lawinenkegel entdeckt. Eine 2er Gruppe wurden von einer Lawine erfasst und verschüttet. Eine der Personen verstarb, die zweite Person konnte nach unglaublichen 10 Stunden Verschüttungszeit lebend geborgen werden.
 
Das tödliche Lawinenunglück vom 12.04. passierte im Bereich der Gargglerin in den Südlichen Stubaier Alpen © tiris
 
Wir werden voraussichtlich heute im Laufe des Vormittags die Erhebungen gemeinsam mit der Alpinpolizei durchführen. Details zum Unfall, aber auch zu den ereignisreichen, vergangenen Tagen folgen so rasch wie möglich.

Allgemein: Wichtig erscheint derzeit eine besonders gute Planung und Zeiteinteilung. Nach klaren, kühlen Nächten kann meist von guten Verhältnissen während der Morgenstunden ausgegangen werden, nach bedeckten Nächten sind die Verhältnisse hingegen bereits am Morgen deutlich ungünstiger. Dies hat damit zu tun, weil die Ausstrahlung der Schneedecke durch einen Wolkenschirm verhindert wird und sich die während des Tages durchfeuchtete Schneedecke dadurch nicht verfestigen kann. Naturgemäß herrschen deshalb im Frühjahr in höheren Lagen aufgrund der tieferen Temperaturen häufig günstigere Lawinen- und Schneeverhältnisse als in tieferen Lagen.
 

Samstag, 11. April 2015

Fortschreitende Durchnässung führt zu ungünstigen Tourenbedinungen! Weitere Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung

Der heutige 11.04. war geradezu vorprogrammiert für eine erhöhte Lawinenaktivität. Die von der ZAMG-Wetterdienststelle vorhergesagte Wetterverschlechterung mit entsprechend diffuser Strahlung, hoher Luftfeuchtigkeit und weiterhin relativ hohen Temperaturen führte zu der erwartenden rasch fortschreitenden Durchfeuchtung bzw. Durchnässung der Schneedecke.

Von der Leitstelle Tirol wurden uns heute zwei Lawinenereignisse gemeldet, bei denen Personen beteiligt waren. Eine große Nassschneelawine löste sich am Eingang ins Schöntal in den Nördlichen Stubaier Alpen, eine weitere im Bereich der Brunnensteinspitze bei Scharnitz. Eine Person wurde dabei verletzt. Weitere Infos findet man hier.

Morgen am 12.04. wird sich die Situation deshalb nicht verbessern, weil die Nacht bewölkt sein wird und somit die Schneedecke nicht ausstrahlen und sich verfestigen wird können.
Zumindest unterhalb etwa 2500m muss vorerst von allgemein ungünstigen Tourenbedingungen bei meist schlechter Schneequalität ausgegangen werden.

Kurzanalyse des tödlichen Lawinenunfalls unterhalb des Visnitzkopfes in der Region Silvretta-Samnaun

Gestern am 10.04. haben wir uns gemeinsam mit der Alpinpolizei den Lawinenabgang unterhalb des Visnitzkopfes, bei dem am 10.04. eine Person getötet, eine Person lebensbedrohlich verletzt wurde, nochmals näher angeschaut.
 
Der Kreis zeigt den Unfallbereich © tiris
 
Vorweg: Die Schneebrettlawine wurde mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit im extrem steilen Gelände an einer schneearmen Stelle ausgelöst. Von dort pflanzte sich der Riss dann innerhalb von bodennahen, aufbauend umgewandelten Schichten weiter fort, sodass die Lawine schlussendlich mittelgroßes Ausmaß annahm.
 
Übersicht der Lawine: Pfeil zeigt den Einfahrtsbereich, Kreis den wahrscheinlichen Auslösebereich (Foto: 10.04.2015)
 
Der unmittelbare Unfallhergang ist nicht bis ins Detail rekonstruierbar. Es dürfte sich aber in etwa folgendermaßen zugetragen haben: Ein deutscher Skiführer ist mit seinem Gast vom Skigebiet Samnaun kommend über das Visnitzjoch Richtung Visnitzkopf aufgestiegen, von wo sie einen nach WNW ausgerichteten Hang Richtung Kappl fahren wollten. Aufgrund der Verschüttungsstellen gehen wir davon aus, dass die Personen mit großen Abständen abgefahren sind und der Gast das Schneebrett kurz nach der Einfahrt in den Hang in einer Höhe von etwa 2650m ausgelöst hat. Beide Personen wurden erfasst und total verschüttet, der Skilehrer am äußersten Rand der Lawinenablagerung. Ein Bergführer, der mit einem Gast etwa zeitglich etwas östlich vom Unfallhang Richtung Kappl abgefahren ist, bemerkte den Lawinenabgang und begann sofort mit der Suche. Der Gast des Skiführers war 2 m tief verschüttet und war beim Ausgraben bereits verstorben. Der Skiführer konnte aus knapp 1m Tiefe ausgegraben werden und wurde in lebensbedrohlichem Zustand in die Innsbrucker Klinik geflogen werden.
 
Oberhalb des Alpinpolizistens erkennt man die 2 Einfahrtsspuren. Zu Beginn war die Schneeoberfläche vom Wind hart gepresst. (Foto: 10.04.2015)
 
Blick Richtung wahrscheinlichem Auslösebereich der Lawine (Foto: 10.04.2015)
 
Lawinenablagergung, wo beide Personen verschüttet wurden. (Foto: 10.04.2015)
 
Wir gruben wieder an verschiedensten Stellen in die Schneedecke und führten Stabilitätsuntersuchungen durch. An schneearmen Stellen konnten am ehesten etwas lockerere Schichten aus aufbauend umgewandelten Kristallen unterhalb bzw. zwischen härteren Schichten gefunden werden, von denen eine Bruchinitiierung möglich erschien. Man benötigte dazu meist große Belastung. Sämtliche Schneeprofile werden demnächst wie gewohnt hier veröffentlicht werden.