Freitag, 29. Januar 2016

Verteilung der Lawinenereignisse in Tirol seit 01.01.2016 sowie Kurzanalyse der Situation

Auffallend ist seit Jahresbeginn 2016 die Häufung der Lawinenereignisse v.a. in den schneeärmeren, inneralpinen Regionen. Unser Praktikant Hans Seiwald hat dazu folgende, sehr aussagekräftige Abbildungen erstellt:
Räumliche Verteilung der Lawinenereignisse in Tirol seit Anfang des Jahres 2016
Die meisten dieser Lawinenereignisse hatten mit dem bekannten Altschneeproblem zu tun. Leider hat sich daran inzwischen nicht allzu viel geändert.
Zeitliche Verteilung der Lawinenereignisse in Tirol seit Anfang des Jahres 2016
Die Schneedecke bleibt oberhalb etwa 2100m weiterhin störanfällig, dies vermehrt in den inneralpinen Regionen. Betroffen ist anfangs v.a. schattiges Gelände, oberhalb etwa 2300m unverändert auch besonnte Hänge. Bei den besonnten Hängen bestätigt sich in den meisten Fällen eine erhöhte Gefährdung v.a. dort, wo sich bis Silvester eine von Schmelzprozessen beeinflusste Altschneedecke halten hat können. (Darüber hat sich dort seit Silvester eine meist dünne, lockere kantige Schicht gebildet, die von gebundenem (Trieb-)Schnee überlagert wurde und flächig als Gleitfläche für Schneebrettlawinen dienen kann). Die Erwärmung und Durchfeuchtung seit Montag, dem 25.01.2016 führte teilweise zu einer Schwächung dieser Schicht und folglich zu spontanen Lawinenabgängen, was heute (29.01.) nicht mehr zu erwarten ist.
In besonnten Hängen hat der Wärmeeintrag in schneearmen Bereichen zumindest unterhalb etwa 2300m inzwischen zu einer Besserung der Situation geführt. Man beobachtet wieder vermehrt Teilbrüche. Darüber bleibt die Situation mitunter unberechenbar und somit heimtückisch, weil Gefahrenbereiche nicht ganz einfach erkannt werden können. Serfaus-Lazid, Samnaungruppe (Foto: 28.01.2016)
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Verteilung der uns bekannt gewordenen Lawinenabgängen mit Personenbeteiligung nach der Exposition: 90% passierten im Sektor W über N bis O (davon ein Großteil im Sektor N über NO bis O), die restlichen 10%  im Sektor O über S bis W.
Verteilung der Lawinenereignisse nach Exposition seit 01.01.2016
Unterwegs in den Ötztaler Alpen. (Korrektur vom 30.01.: Aus Insiderkreisen wurde bekannt, dass es sich offensichtlich um eine am 20.01. spontan abgegangene Lawine und nicht - unserem Informationsstand entsprechend - um eine von einem Wintersportler ausgelöste Lawine handelt.) (Foto: 24.01.2016)
Gamsgarten, Stubaier Gletscher: Eine von Wintersportlern ausgelöste Schneebrettlawine ohne Folgen (Foto: 24.01.2016)
Vermehrt treten die Probleme jedoch immer noch in beschatteten Hängen auf. Hochalter, Nördliche Stubaier Alpen (Foto:24.01.2016)

Am 28.01.2016 sind im Bereich der Wanglspitze zwei Personen im 40° steilen, Nordost exponiertem Gelände von einer Lawine erfasst und verschüttet worden. Sie hatten großes Glück, da sie von den Bergrettern rasch geortet und ausgegraben wurden.

Im schneereichen Westen des Landes mehren sich inzwischen auch die Wechtenbrüche.
Wechtenbruch am Gipfel des Tschachaun, Außerfern (Foto: 24.01.2016)
Spontane Lawinenaktivität unterhalb des Aifners in der Region der Nördlichen Ötztaler Alpen vom 27.01.2016 (Foto: 29.01.2016)
Was noch auffällt:
Vermehrte Gleitschneeaktivität in besonnten Hängen, Samnaun (Foto: 28.01.2016)
Stark vom Wind beeinflusste Schneedecke in größeren Höhen  (Granatspitzgruppe) Foto: 24.01.2016
Nachtrag vom 29.01.09:30 Uhr:
Auch hochalpin, also oberhalb etwa 3000m ist das Altschneeproblem ein Thema. Meist ist die Schneeauflage mächtig genug bzw. die Schneeoberfläche hart, sodass eine Störung durch Wintersportler unwahrscheinlicher ist. Dennoch sind uns auch kürzliche Lawinenabgänge aus diesen Höhenbereichen bekannt.

Spontanes Schneebrett im Bereich des Hinteren Wilden Turmes in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 28.01.2016)  


Ein kürzlich aufgenommenes Schneeprofil im Nahbereich des oben erwähnten Lawinenabgangs zeigt u.a. die markante bodennahe Schwachschicht. Auffallend ist auch eine dünne kantige Schicht in Oberflächennähe (vermutlich unter einer vormaligen Windkruste entstanden).

Kurzer Ausblick: Am Sonntag, dem 31.01. wird von der ZAMG-Wetterdienststelle äußerst unfreundliches Wetter vorhergesagt. Anfangs soll es kurz bis in die Täler schneien, dann (zumindest im Westen) sehr rasch bis zumindest 2000m hinauf regnen. Zusätzlich wird es stürmisch. Diese Wetterkombination spricht für vermehrte spontane Lawinenaktivität mit Brüchen in der Altschneedecke.

Mittwoch, 27. Januar 2016

Kurzanalyse der Lawinenabgänge unterhalb des Roßkopfes und des Kleinen Gilferts am 26.01.2016

Gemeinsam mit der Alpinpolizei haben wir heute am 27.01. die Unfallanalysen der Lawinenabgänge unterhalb des Roßkopfes sowie unterhalb des Kleinen Gilferts in den Tuxer Alpen durchgeführt.

Bei beiden Unfällen bestätigte sich das vorherrschende Altschneeproblem mit den bodennahen Schwachschichten vom Frühwinter. Unsere Stabilitätstests zeigten überwiegend eine immer noch hohe Störanfälligkeit von lockeren, aufbauend umgewandelten Schichten, die sich im Nahbereich von mehr oder weniger dicken Schmelzkrusten befanden. Die Profile findet man wie gewohnt hier:

Am rechten oberen Bildrand erkennt man einen Lawinenabgang unterhalb des Kleinen Gilferts. Diese Lawine wurde am vergangenen Sonntag, den 24.01. von Wintersportlern ausgelöst. Es passierte nichts. Mittig ist jene Lawine eingezeichnet, die von Bergrettern kurz vor 21:00 Uhr während der Suchaktion nach dem tödlich verunglückten Skitourengeher ausgelöst wurde. Der Bergretter konnte rasch ausgegraben werden. Er war ansprechbar und unverletzt. Im Hintergrund erkennt man die Unfalllawine unterhalb des Roßkopfes (Foto: 27.01.2016)

Der tödlich verunglückte einheimische Tourengeher löste das Schneebrett im Aufstieg bei der Querung unterhalb des Roßkopfes in einem 40 Grad steilen NNO-Hang aus. Aufgrund der Verschüttungsstelle und des Lawinenanrisses gehen wir davon aus, dass die Lawine in einem schneearmen Bereich ausgelöst wurde. Das Schneebrett hatte mittlerer Größe bei einer Länge von ca. 250m und einer Breite von ca. 150m. Die Anrissmächtigkeit schwankte zwischen etwa 0,2 und 1m.

Auffallend waren einige Gefahrenzeichen während des Aufstieges: einerseits die Lawine unterhalb des Kleinen Gilferts, andererseits die Ablagerung einer spontanen Schneebrettlawine im Gipfelhang. Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürften während des Aufstieges auch Setzungsgeräusche zu vernehmen gewesen sein.

Die Unfalllawine im Überblick: Am Bild erkennt man die Aufstiegsspur. Bei der bläulich eingefärbten Lawine handelt es sich um ein spontanes, älteres Schneebrett. Punktiert eingezeichnet ist der vermutliche Weiterweg. Der Kreis zeigt die Verschüttungsstelle. (Foto: 27.01.2016)

Die Aufstiegsspur führt anfangs in die Ablagerung einer älteren Schneebrettlawine. Der Kreis zeigt die Verschüttungsstelle (Foto: 27.01.2016)

Typisch vermehrt für die inneralpinen Regionen: Bodennahe Schwachschichten wechseln mit Krusten ab. Darüber lagert gebundener Schnee, meist in Form von Triebschnee.

Die Schneebrettlawine unterhalb des Kleinen Gilferts wurde in der Aufstiegsspur des Verunglückten im flachen Gelände ausgelöst. Es handelte sich somit um eine Fernauslösung. Tückisch für diesen Winter ist die in früheren Blogs bereits angeführte diffuse Verteilung von Gefahrenbereichen mit einem Altschneeproblem. Vermehrt betroffen sind unverändert schattige Bereiche. Aber auch in besonnten Hängen findet man auf Schmelzkrusten zum Teil ausgeprägte lockere Schichten, dies vermehrt oberhalb etwa 2200m. Am Bild der Unfalllawine erkennt man, dass die Lawine großteils nicht bis zum Boden gebrochen ist. Es handelte sich um einen Bereich, an dem sich eine harte Schmelzkruste bis Ende des Jahres halten konnte. (was in dieser Exposition und Höhenlage nicht flächig der Fall war). Ab Neujahr bildete sich darüber eine Schicht aus kantigen Kristallen, die als Schwachschicht diente.

Vor dem Alpinpolizist am Bild befindet sich die Verschüttungsstelle des Bergretters. Perfekte Kameradenrettung konnte Schlimmes vermeiden. (Foto: 27.01.2016)

Ein Blick in die Schneedecke orographisch rechts des Anrisses bei der Lawine, die den Bergretter verschüttete. Links erkennt man am Boden eine Schmelzkruste, darüber eine lockere Schicht, darüber gebundenen (Trieb-)Schnee.

Tödlicher Lawinenunfall unterhalb des Roßkopfes in den Tuxer Alpen…

Ein einheimischer Tourengeher ist gestern am 26.01. unterhalb des Rosskopfes von einem Schneebrett verschüttet und getötet worden.
 
Bei dem nächtlichen Sucheinsatz wurde auch ein Bergretter von einem Schneebrett verschüttet, konnte jedoch von seinen Kameraden rasch aus 2 m Tiefe ansprechbar und unverletzt geborgen werden.
 
Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von dem bekannten Altschneeproblem auszugehen.
 
Wir sind mit der Alpinpolizei bei den Unfallerhebungen vor Ort. Weitere Infos folgen bis heute abends.
 
Übersichtskarte mit den Koordinaten der Lawinenabgänge. Tödliches Unglück passierte unterhalb des Roßkopfes. Bergretter wurde unterhalb des Kleinen Gilferts verschüttet.
 

Dienstag, 26. Januar 2016

Teilweise Frühjahrsverhältnisse im Hochwinter…

Nach einer winterlichen Phase sind die Temperaturen markant angestiegen. Die Schneedecke wurde deshalb zumindest an deren Oberfläche vielerorts feucht. Dies konnte für Schattenhänge bis etwa 2300m, für besonnte Hänge bis an die 3000m-Grenze beobachtet werden. Aufgrund der unterdurchschnittlichen Schneehöhen in vielen Teilen Tirols wurde die Schneedecke in tiefen und mittleren Lagen teilweise sogar bis zum Boden hin durchfeuchtet. Regen am 25.01. im Unterland und in Teilen Osttirols unterstützte den Durchfeuchtungsprozess.
 
Gut zu erkennen: Markanter Temperaturanstieg: Für die Jahreszeit ist es viel zu mild!
 
 
Die Erwärmung und Durchfeuchtung wirken sich aber auch auf die Lawinentätigkeit aus. Gestern am 25.01. und heute am 26.01. konnten aus extrem steilen, besonnten Hängen nasse Lockerschneelawinen, teilweise auch nasse Schneebrettlawinen beobachtet werden. Die Situation erinnert stark an das Frühjahr. Die fortschreitende Durchnässung schwächt die Schneedecke, insbesondere auch bodennahe Schwachschichten, dort wo die Schneedecke nicht allzu mächtig ist. (Teilweise reicht in diesen schneearmen Bereichen dann allerdings die Schneeauflage oberhalb dieser Schwachschichten nicht aus, um Spannungen großflächiger übertragen zu können. Das Ergebnis sind dann entweder kleine Rutsche oder bei massiverer Durchfeuchtung nasse Lockerschneelawinen.)
 
Nasse Lockerschneelawinen aus extrem steilem, besonnten Gelände. Axamer Lizum (Foto: 26.01.2016)
 
Nasse Lockerschneelawinen aus extrem steilem, von Regen, warmen Temperaturen und diffuser Strahlung beeinflussten Gelände in den Osttiroler Tauern (Foto: 25.01.2016)
 
Vermehrte Gleitschneelawinen im Außerfern (Foto: 25.01.2016)
 
Was neben der Durchfeuchtung zusätzlich zu beachten ist, bleibt das Altschneeproblem, vermehrt in den inneralpinen Bereichen.
 

Samstag, 23. Januar 2016

Heimtückische Situation beginnend von 2000m aufwärts

Die Lawinensituation kann derzeit als heimtückisch umschrieben werden. Dies hat mit einem ausgeprägten Altschneeproblem zu tun, bei dem die Gefahrenbereiche beginnend von 2000m aufwärts zum Teil recht diffus verteilt sind.

Am gefährlichsten bleibt der Sektor WNW über N bis ONO oberhalb etwa 2000m. Dort langen weiterhin die meisten Meldungen über Setzungsgeräusche, Rissbildungen und Fernauslösungen bei uns ein.

Unterhalb des Kraxentragers in den Tuxer Alpen. Fernauslösungen von Schneebrettlawinen (Foto: 22.01.2016)

Viel Glück unterhalb des Schafsiedels in den Kitzbüheler Alpen (Foto: 22.01.2016)

Fernauslösung am Weg zum Thialkopf südwestlich von Landeck (Foto: 22.01.2016)

Allerdings liegen uns inzwischen auch einige Schneeprofile und Stabilitätsuntersuchungen vor, bei denen in den Sektoren ONO über S bis WNW von einem ähnlich unguten Altschneeproblem ausgegangen werden muss. Dies scheint derzeit vermehrt oberhalb etwa 2300m der Fall zu sein. Einerseits betrifft dies Geländeteile, wo Altschnee bis Silvester liegen geblieben ist, also vermehrt Mulden und Rinnen. Zusätzlich beobachtet man auch in glatt strukturierten Hängen am Boden flächig vorhandene, kantige Kristalle, die als Schwachschicht in Frage kommen.

Schneebrett, das offensichtlich auf einer bodennahen Schwachschicht abgegangen sein muss; Bereich des Hühnerspiels in den Brennerbergen (Foto: 22.01.2016)

Ungünstiger Schneedeckenaufbau auch im besonnten Gelände

Ungünstiger Schneedeckenaufbau auch im besonnten Gelände

Oberhalb etwa 2800m verringern härtere Triebschneepakete die Störanfälligkeit von aufbauend umgewandelten Schwachschichten. Zu beachten ist dort allerdings, dass solche Schwachschichten nicht nur in Bodennähe, sondern teilweise unmittelbar unter dünnen Schmelzkrusten zu finden sind, die sich bis Silvester gebildet haben.

Was noch aufgefallen ist: Im Waldgrenzbereich hat sich vermehrt vom Wipptal ostwärts Oberflächenreif gebildet. Dies hat v.a. mit der Nebeldecke zu tun, die sich am Donnerstag, den 21.01. über die Osthälfte Tirols erstreckt hat.

Obeflächenreif am Rangger Köpfl in den Nördlichen Stubaier Alpen war v.a. unterhalb etwa 1700m vorhanden.

Donnerstag, 21. Januar 2016

Weiterhin Zurückhaltung in steilen Schattenhängen oberhalb etwa 2000m!

Gestern  am 20.01. und heute am 21.01. waren wir in der Silvretta unterwegs und führten Schneedeckenuntersuchungen durch. Gezielt suchten wir heute dabei schattiges, bisher unbeeinflusstes Gelände in einer Seehöhe um 2000m auf. Ein Schneeprofil samt Stabilitätsuntersuchung zeigte uns auf knapp 2100m einen weiterhin sehr störanfälligen Unterbau. Wir gingen weiter und wollten in flachem, schneearmen Gelände ein Setzungsgeräusch bzw. Rissbildungen provozieren. Dabei waren wir Zeuge einer eindrucksvollen Fernauslösung. Dies zeigt nur, dass man im schattigen Steilgelände oberhalb etwa 2000m weiterhin sehr zurückhaltend unterwegs sein sollte.

Im Vordergrund erkennt man jenen Bereich, in dem wir im Aufstieg ein Schneeprofil samt Stabilitätsuntersuchungen durchgeführt haben. Wir gingen weiter und provozierten durch kräftiges Wippen am rechten Bildrand oberhalb des Steines einen Bruch innerhalb der bekannten, bodennahen Schwachschicht. Der Bruch pflanzte sich nach links fort. Während der Bruchfortpflanzung bebte die gesamte Schneedecke bis einige Sekunden später die oben ersichtliche Schneebrettlawine mit einer Anrisshöhe von bis zu 150cm abging. (Foto: 21.01.2016)

Hier erkennt man die bodennahen Schwachschichten, die für oben angeführte Lawinenauslösung verantwortlich waren. Primär erfolgte der Bruch in der am Boden befindlichen Schwimmschneeschicht, sekundär teilweise auch zwischen den dargestellten Schmelzkrusten, wo kantige Kristalle vorhanden sind.

Eindrücke der vergangenen Tage

Täglich waren wir während der vergangen Tage im Gelände und konnten unser Bild der Situation weiter schärfen.

Endlich Winter in vielen Teilen Tirols. Am meisten Schnee hat der Westen des Landes sowie die Nordalpen abbekommen. Außerfern (Foto: 18.01.2016)

Schneefall vom Wochenende

Kurzfristig war es bitterkalt. Inzwischen ist die Temperatur wieder etwas angestiegen

Es zeichnet sich eine leichte Stabilisierung der Altschneedecke im Sektor WNW über N bis ONO oberhalb etwa 2000m ab, was v.a. auch daran zu erkennen ist, dass Rissbildungen, Setzungsgeräusche und Fernauslösungen inzwischen kaum mehr beobachtet werden konnten. Dennoch bleibt das Hauptproblem der störanfälligen, bodennahen Schwachschichten oberhalb etwa 2000m bestehen und sollte weiterhin beachtet werden. Im Arlberggebiet und Außerfern deutet Vieles darauf hin, dass diese Höhengrenze bei etwa 2200m liegt, was mit einer höheren Regengrenze im Vergleich zu anderen Regionen vom 09.01. auf den 10.01. zu tun hat.

Zahlreiche Stabilitätsuntersuchungen zeigten bisher meist eine hohe Störanfälligkeit von bodennahen Schichten. (Die Schwachschicht verläuft am Bild dort, wo der Stiel der Schneesäge aus der Schneedecke herausragt.). Wörgestal, Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 17.01.2016)

Aufgefallen sind uns auch die vermehrten Selbstauslösungen von Schneebrettlawinen vom Wochenende in den Regionen der Ötztaler, Stubaier und Tuxer Alpen. Bodennahe Schwachschichten scheinen dort tendenziell noch störanfälliger zu sein.

Einige Schneebrettlawinen lösten sich auch innerhalb von Lawinenverbauungen, Tuxer Alpen (Foto: 18.01.2016)

Insgesamt bleibt dieses Altschneeproblem jedoch etwas heimtückisch, auch deshalb, weil an der Schneeoberfläche zum Teil lockerer Pulverschnee ein vermeintlich sicheres Gefühl vermittelt. Das erwähnte Altschneeproblem taucht übrigens in hochalpinen Lagen vermehrt in allen Hangrichtungen  aus. Aufgrund der dort meist stark vom Wind beeinflussten Schneedecke mit härteren, eher mächtigen Triebschneepaketen dürfte dort die Störanfälligkeit im Vergleich zu Höhenlagen zwischen etwa 2000m und 2800m etwas geringer sein.

Auffallend war auch, dass die meisten Lawinenabgänge während des Wochenendes mit dem Altschneeproblem zu tun hatten. Zusätzlich gab es natürlich auch Problembereiche mit frischem Triebschnee in den übrigen Sektoren, die allerdings offensichtlich besser erkannt wurden. Hier folgen nun einige Fotos von Lawinenabgängen, bei denen Personen involviert waren.

Unterhalb des Drei-Seen-Liftes (am Bild rechts der Bahn unterhalb der Felsen) wurde am 17.01. ein Schneebrett ausgelöst. Person blieb unverletzt (Foto: 19.01.2016)

Am Hang rechts der Staumauer am Finstertaler Stausee lösten Skifahrer am 18.01. ein Schneebrett aus. Offensichtlich war auch hier viel Glück im Spiel. (Foto: 19.01.2016)

Im schattigen Bereich rechts oberhalb der Verbauung erkennt man einen Schneebrettanriss. 4 Tourengeher lösten die Lawine fern aus und hatten in Summe großes Glück. Lawinenabgang und Foto vom 18.01.2016

Die Schneebrettlawinen wurden durch Fernauslösung im Bereich des Rückens oberhalb des Lawinenanrisses von Variantenfahrern ausgelöst. Hochzillertal (Foto und Auslösung am 18.01.2016)

Hohe Störanfälligkeit der Schneedecke am Weg zur Lampsenspitze in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 18.01.2016)

Neben dem Altschneeproblem hatte man mehr oder weniger ausgeprägt - mit größerer Höhe zunehmend - ein Triebschneeproblem.

Windeinfluss führte mitunter zu umfangreicheren Schneeverfrachtungen. Patscherkogel in den Tuxer Alpen (Foto: 19.01.2016)

Interessant an diesem Bild ist die sehr geringe Anrissmächtigkeit: sehr lockerer, kalter Pulverschnee wurde hier von einer dünnen, windbeeinflussten Schicht überlagert. Das Schneebrett ist durch die Sonneneinstrahlung spontan abgegangen. Hochzillertal (Foto: 18.01.2016)

In besonnten Hängen ist das Altschneeproblem weniger ausgeprägt. Dies hat in mittleren und hohen Lagen v.a. mit der unregelmäßig verteilten Altschneedecke zu tun, die v.a. in Rinnen und Mulden bzw. kleinen Hangvertiefungen anzutreffen ist. Angrenzend findet man häufig apere Flächen. Bruchfortpflanzungen sind deshalb nicht so leicht möglich wie in Schattenhängen (Eine Ausnahme bilden hochalpine besonnte Bereiche).

Ein Schneeprofil in einem sehr steilen Südhang unterhalb des Burgstalls in den Nördlichen Stubaier Alpen zeigt im rechten Bildabschnitt am Boden Reste von alten Schmelzkrusten. Angrenzend fehlen diese Krusten, man stößt auf Gras. (Foto: 19.01.2016)

Am Schluss bleibt die Frage, wie man sich bei dieser Situation am besten verhalten soll: Kurz und bündig: Schattiges, steiles Gelände oberhalb etwa 2000m (Arlberggebiet und Außerfern oberhalb etwa 2200m) sollte weiterhin möglichst gemieden bzw. extrem sorgfältig beurteilt werden.

Im Rahmen eines Erkundungsfluges konnten wir sehr große Zurückhaltung bei der Befahrung von sehr beliebten, schattigen Abfahrten feststellen, wie hier bei der noch unverspurten Maierrinne unterhalb der Nockspitze in den Nördlichen Stubaier Alpen. Es handelt sich hier um Gelände, welches man weiterhin möglichst meiden sollte. (Foto: 19.01.2016)

Recht gute Tourenmöglichkeiten findet man meist unterhalb etwa 2000m in den schneereicheren Regionen des Landes. Wer sich nicht sicher ist, dem empfehlen wir, eher flachere Touren auszuwählen.

Angenehmes Tourengelände mit oftmals super Pulverschnee in den Kitzbüheler Alpen (Foto: 19.01.2016)

Ebenso angenehmes Tourengelände am Weg zum Galtjoch im Außerfern (Foto: 18.01.2016)

Dienstag, 19. Januar 2016

Fotos vom Lawinenunfall unterhalb des Drisslkopfs in den Tuxer Alpen am 17.01.2016

Hier folgen nun die bereits angekündigten Fotos zum Lawinenunfall am 17.01. unterhalb des Drisslkopfes, bei dem ein Jugendlicher ums Leben gekommen ist.

Der Pfeil symbolisiert den Einfahrtsbereich in den Unfallhang, der Kreis die Verschüttungsstelle (Foto: 18.01.2016)

Blick vom Einfahrtsbereich in Richtung Lawinenanriss. (Foto: 18.01.2016)

Das Schneeprofil wurde unmittelbar oberhalb des Einfahrtsbereiches aufgenommen und zeigt zwei Schwachschichten auf: Einerseits handelt es sich um vormals lockeren Pulverschnee, der von Triebschnee überlagert wurde (Am 18.01., als das Profil aufgenommen wurde, konnte dort kein sauberer Bruch mehr erzeugt werden, was bereits auf eine gewisse Stabilisierung – im Vergleich zum Vortag - hindeutete.) Zusätzlich findet man bodennahe, lockere Schwachschichten im Bereich von Krusten. Unsere Stabilitätstests zeigten an mehreren Plätzen meist eine sehr hohe Störanfälligkeit. Die Schneehöhe an diesem Profilstandort ist übrigens überdurchschnittlich.

Interessant erscheint ein Blick zum obersten Lawinenanriss, der darauf hinweist, dass lockerer Neuschnee (der von frischem Triebschnee überlagert war) bei der Bruchfortpflanzung eine Rolle gespielt haben muss. Als die Lawine durch den Sturz der Person ausgelöst wurde, breitete sich der Bruch nach oben hin fort. In jenem Bereich, der magenta eingefärbt ist, war dies offensichtlich entlang der Schicht aus lockerem Neuschnee der Fall. Im obersten Bereich brach die Schneedecke dann wieder bis zur bodennahen, lockeren, aufbauend umgewandelten Schicht (bläulich eingefärbt). (Foto: 18.01.2016)

Ein Blick etwas oberhalb des Einfahrtsbereiches in Richtung Lawinenablagerung (Foto: 18.01.2016)

Blick unterhalb des Lawinenkegels in Richtung Verschüttungsstelle (Standpunkt der Person) und Lawinenanriss. (Foto: 18.01.2016)