Samstag, 29. Oktober 2016

Letzter Schneefall bei meist nur wenig Windeinfluss – Hauptproblem weiterhin im vergletscherten, schattigen, sehr steilen Gelände

Vor einer Woche, also am Samstag, den 22.10. ereignete sich in Südtirol auf der Nordseite des Hochferners ein Lawinenunglück, bei dem vier Südtiroler Eiskletterer ums Leben kamen. Vieles deutet darauf hin, dass auch bei diesem Lawinenunfall die in vorigen Blogeinträgen erwähnte, knapp oberhalb des Gletschereises befindliche Schwachschicht, gepaart mit der Zusatzbelastung im extrem steilen Gelände als Ursache der Lawinenauslösung in Frage kommt.

Diese Schwachschicht gilt es weiterhin insbesondere im vergletscherten, sehr steilen, schattigen Gelände zu beachten. Der zwischen 25.10. und 27.10. gefallene Schnee hingegen stellt in den meisten Teilen Tirols kein Problem dar. Dies hängt damit zusammen, weil der Schnee einerseits unter wenig Windeinfluss gefallen ist und es andererseits immer wärmer wurde. Einzig im hochalpinen Gelände im nördlichen Osttirol weht derzeit kräftigerer Wind, der speziell heute am 29.10. frische Triebschneepakete bilden kann. Dabei handelt es sich jedoch um ein nur kurzfristiges, gut beherrschbares Problem.

Am 25.10. ist der Föhn zusammengebrochen. Danach begann es zu regnen, im hochalpinen Gelände zu schneien. Der Wind war ab dann kaum mehr ein Thema. Inzwischen scheint sich bei dieser Wetterstation an der Schneeoberfläche durch den Wechsel von tageszeitlicher Erwärmung und nächtlicher Ausstrahlung eine Schmelzkruste gebildet zu haben.

St. Veit im Defereggental in Osttirol nach den Neuschneefällen am 21.10.2016 (Foto: foto-webcam.eu)

Nach einer deutlichen Erwärmung ist viel Schnee wieder weggeschmolzen 29.10.2016 (Foto: foto-webcam.eu)

Vorerst ändert sich an der Situation nichts. Erst ab Mitte der kommenden Woche ist eine Wetteränderung mit neuerlichen Niederschlägen in Sicht.


Freitag, 21. Oktober 2016

Mögliche Lawinengefahr v.a. im schattigen, vergletscherten, sehr steilen Gelände – Neuschnee in Osttirol

Dank einiger Rückmeldungen und eigener, erster Geländeerkundungen konnten wir unser Bild der Lawinensituation auf Tirols Bergen etwas schärfen. Derzeit kristallisiert sich als mögliches Problemfeld für Lawinenereignisse v.a. hochalpines, vergletschertes, schattiges und zudem sehr steiles Gelände heraus. Wir haben es dort mit einem beginnenden Altschneeproblem mit einer dünnen, kantigen Schicht im Nahbereich des Gletschereises zu tun. Diese Schicht hat sich ab der zweiten Septemberhälfte auszubilden begonnen und ist mitunter störanfällig. Eine Lawinenauslösung ist derzeit dort insbesondere durch große Belastung v.a. an schneeärmeren Stellen denkbar.

Ein Blick auf die Wetterstation Pitztaler Gletscher hilft, die Entstehung der teilweise beobachteten Schwachschicht besser zu verstehen. Man erkennt den durchwachsenen Sommer mit viel Niederschlag. Schönwetterperioden werden anhand der Temperatur- und Taupunktlinien ersichtlich (je weiter rot und blau auseinander liegen, desto trockener die Luft und somit schöner das Wetter). Entscheidend scheinen die Schneefälle ab Mitte September und die nachfolgende Schönwetterphase gewesen zu sein. Damals bildete sich an der Schneeoberfläche eine Harschkruste aus, unter der sich während klarer Nächte die Schneedecke umzuwandeln begann, sprich lockerer wurde. Dieser Prozess dauerte während der anschließenden Kältephase an.

Die Zusatzbelastung des Pistenfahrzeuges führte am 15.10.2016 unterhalb der Schwarzen Schneid in den Südlichen Ötztaler Alpen kurz nach 18:00 Uhr zum Abgang der am Bild eingezeichneten Schneebrettlawinen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war hier eine Schwachschicht aus aufbauend umgewandelten Kristallen im Spiel. © panomax. (Nachtrag vom 01.11.2016: Die Lawine wurde durch eine Lawinensprengung und nicht durch das Pistenfahrzeug ausgelöst.)

Im Vergleich dazu die Situation vom 14.09.2016, zwei Tage bevor Neuschnee die Berge wieder in ein winterliches Kleid verwandelte. © panomax

Ein glimpflich verlaufener Lawinenabgang am Kaunertaler Gletscher vom 16.10.2016 geht vermutlich auch auf das Konto der erwähnten Schwachschicht.

Die vergangenen Tage waren wieder wechselhaft. Auf den Bergen fiel Schnee, am meisten im südlichen Osttirol. Oberhalb etwa 2400m blieben dort meist um 30cm, lokal bis zu 50cm liegen. Es wehte meist nur schwacher Wind, sodass die Schneedecke derzeit meist recht locker ist. Entsprechend konnten heute am 21.10. dort aus felsigem Gelände auch Lockerschneerutsche beobachtet werden.


Spitzenreiter bei den Neuschneezuwächsen der vergangenen Tage war das südliche Osttirol, hier am Beispiel der Station Connyalm. Der Schnee ist bei sehr wenig Wind gefallen. Anfänglicher Regen, der in Schnee überging, führte zu einer kurzfristigen Vereisung des Windsensors.

Auf grasigem Untergrund lässt es sich schon Skifahren…Ein Blick vom Figerhorn in den Osttiroler Tauern in Richtung Süden. (Foto: 21.10.2016)

Keine allzu große Freude mit dem Schnee dürften diese Schafe am Figerhorn haben… (Foto: 21.10.2016)

Mit dem ab Sonntag zunehmenden Föhneinfluss sollte dann zusätzlich auf frische Triebschneepakete geachtet werden. Dies trifft v.a. für hochalpines, windabgewandtes, vermehrt kammnahes, sehr steiles und schattiges Gelände zu.

Montag, 17. Oktober 2016

Analyse des tödlichen Lawinenunfalls unterhalb des Olperers vom 16.10.2016

Zwei einheimische Bergsteiger wollten am 16.10. in den Zillertaler Alpen von der Wildlahnerscharte aus den Olperer besteigen. Sie bewältigen dabei den extrem steilen Nordhang mit Steigeisen ohne Probleme und querten von dort zum Nordgrat, der zum Gipfel führt. Kurz unterhalb des Gipfels drehten sie um. Während des Abstiegs gingen sie in Abständen denselben Hang hinunter. Dabei löste sich ein Schneebrett, das beide mitriss und total verschüttete. Der Unfall wurde von einem Wintersportler beobachtet. Dieser setzte einen Notruf ab und konnte als Ersthelfer einen der Beteiligten auffinden. Eine aus dem Schnee ragende Hand dürfte dieser Person das Leben gerettet haben. Da die zweite Person kein LVS-Gerät bei sich hatte, wurde die Lawine systematisch sondiert und von Lawinenhunden abgesucht. Einem der Hunde gelang es, die Person nach etwa 2,5 Stunden Verschüttungszeit zu orten. Bei einer Verschüttungstiefe von knapp 2m kam leider jede Hilfe zu spät.

Das Anrissgebiet der Schneebrettlawine unterhalb des Olperers. Die Lawine ging bis zum Gletschereis ab. Die dort ersichtliche weiße Linie zeigt die während des Herbstes meist begangene Aufstiegsroute. (Foto: 17.10.2016)

Das Anrissgebiet der Schneebrettlawine befindet sich auf etwa 3350m in einem extrem steilen Nordhang. Die Hangneigung beträgt meist um 40 Grad, stellenweise bis zu 50 Grad. Die Lawine war ca. 180m lang und zwischen 40m und 70m breit.

Gemeinsam mit der Alpinpolizei analysierten wir den Unfall. Einer der wesentlichen Faktoren, die den Unfall erklären, hängt neben dem kürzlichen Föhneinfluss auch vom extrem steilen Gelände ab. (Foto: 17.10.2016)

Auffallend war die recht harte Schneeoberfläche, die sich durch stürmischen Wind (u.a. vom vergangenen Freitag, den 14.10.) gebildet hat. Im Ablagerungsbereich fand man dementsprechend harte und mitunter für diese Jahreszeit bereits recht große Schollen.

Harte Schollen beim Lawinenkegel. Die zwei Alpinpolizisten befinden sich im Bereich der zwei Verschüttungsstellen. (Foto: 17.10.2016)

Erfahrungsgemäß sind solch harte Triebschneepakete nur bis zu wenige Tage nach einem Sturmereignis zu stören, umso eher, je kälter es ist.

Die nahe der Unfallstelle gelegene Wetterstation Tuxerjoch zeigt den Sturm am 14.10. Seither ist es deutlich wärmer geworden.

Heute am 17.10. haben unsere Stabilitätsuntersuchungen gezeigt, dass der Triebschnee oberflächennah bereits recht gut verbunden war. Dies hat v.a. auch mit den seit dem Wochenende zunehmenden Temperaturen zu tun.

Erst knapp oberhalb des Gletschereises befand sich eine dünne, kantige Schicht, die bei Loslösung sämtlicher, seitlicher (zum Teil extrem harter) Verbindungen gestört werden konnte. Es gibt somit zwei mögliche Erklärungen für den Lawinenabgang. Entweder haben die zwei Bergsteiger primär ein eher kleinräumiges, frisches und hartes Triebschneepaket ausgelöst, durch dessen sehr großes Gewicht die Lawine folglich bis zum Gletschereis gebrochen ist. Oder aber einer der Bergsteiger brach während des Abstieges an einer schneearmen Stelle bis zur bodennahen, zufällig etwas ausgeprägteren Schwachschicht. Der Bruch pflanzte sich dann unmittelbar von dort aus fort. Die Belastung eines absteigenden Bergsteigers im extrem steilen Gelände begünstigt dabei diesen Prozess. Prinzipiell kann also von einem kombinierten Trieb- und Altschneeproblem ausgegangen werden, wobei nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, was für den Lawinenabgang ausschlaggebend war.

Eines unserer Schneeprofile: Man erkennt eine glatte Bruchfläche, die allerdings nur mit großer Belastung erzeugt werden konnte. Eine Bruchfortpflanzung war dort nicht mehr möglich. Bodennah oberhalb des Gletschereises ist eine etwas weichere, aufbauend umgewandelte Schicht eingelagert, auf der schlussendlich die Lawine abging. Links der Schaufel erkennt man Spuren eines der Bergsteiger, die zeigen, dass man kaum eingebrochen ist. (Foto: 17.10.2016)

Blick vom Nahbereich des Lawinenanrisses in Richtung Ablagerungsgebiet. Die zwei Kreise zeigen in etwa die Verschüttungsstellen. (Foto: 17.10.2016)

Schlussendlich muss gesagt werden, dass eine Verkettung unglücklicher Umstände ausschlaggebend für den Lawinenabgang war. Als Lehre aus diesem Unglück kann einzig mitgenommen werden, dass nach massiven Sturmereignissen zumindest für wenige Tage auch an die Gefahr von harten Schneebrettern gedacht werden sollte.

Sonntag, 16. Oktober 2016

Erstes Lawinenopfer der Saison 2016-2017

Unterhalb des Olperers in den Zillertaler Alpen ist heute ein einheimischer  Skitourengeher ums Leben gekommen. Die Schneebrettlawine wurde im hochalpinen, kamnahen, sehr steilen Gelände ausgelöst. Wir werden morgen am 17.10. gemeinsam mit der Alpinpolizei Erhebungen durchführen und anschließend nähere Details zum Unfall bekannt geben.
Auch am Kaunertaler Gletscher gab es heute am 16.10. einen Lawineneinsatz. Unserem derzeitigen Wissensstand wurde dabei niemand verschüttet bzw. verletzt.

Freitag, 14. Oktober 2016

Herbstlicher Wintergruß auf den Bergen…

Eine markante Kaltfront brachte in der Nacht vom 01.10. auf den 02.10.2016 nicht nur die erste massive Abkühlung während des Herbst 2016, sondern auch Niederschläge samt Schnee auf den Bergen. Die Temperaturen fielen in den Keller und waren die folgenden 10 Tage für diese Jahreszeit deutlich zu kalt.

Kalte Luft aus Nordosten ist Anfang Oktober wetterbestimmend © wetteronline)

Interessant ist v.a. der linke Teil der Grafik: Die rote Linie zeigt das 30-Jahresmittel der Lufttemperatur. Die tatsächlichen Temperaturen lagen Anfang Oktober deutlich darunter.

Der Schnee blieb flächig bis ca. 1500m liegen – kleinräumig schneite es mitunter schon bis in die Täler. Die Neuschneesumme war mit 10 und 15cm Schnee eher bescheiden, in den Osttiroler Tauern lag diese um 25cm.

Neuschnee von Anfang Oktober. Blick Richtung Großvenediger in den Osttiroler Tauern (Foto: 06.10.2016)

Zwischen dem 09.10. und dem 12.10. folgten weitere Niederschläge mit Schwerpunkt südlich des Inns.


Entlang des Alpenhauptkammes kamen um 25cm zusammen. Am meisten Schnee fiel in den südlichen Ötztaler Alpen mit teilweise 50cm, lokal sogar mehr.

Spitzenreiter bei den Neuschneefällen war das hintere Ötztal

Mit Südföhn ab dem 13.10. und der damit einhergehenden, deutlichen Erwärmung begann der Schnee wieder zu schmelzen. In höheren Lagen erkennt man bei unseren Wetterstationen inzwischen eine markante Setzung der Schneedecke, während hochalpin stürmischer Wind den Schnee verfrachtet.

Ein kurzer Rückblick auf das Wettergeschehen seit Anfang Oktober: Gut zu sehen die Niederschlagsereignisse (oberste Grafik), der deutliche Temperaturrückgang ab dem 02.10., der neuerliche Anstieg ab dem 13.10. sowie der inzwischen stürmische Wind auf den Bergen. Es dominierte ein wechselhafter Wettercharakter.

Diese frischen Triebschneepakete stellen kurzfristig (voraussichtlich nur dieses Wochenende) in hochalpinen Lagen (oberhalb etwa 3000m) in den neuschneereicheren Gebieten eine mögliche Gefahr für den Wintersportler dar. In diesen Höhen ist der Schnee noch kalt und spröde und kann deshalb durch die Belastung eines Wintersportlers gestört werden. (Als Schwachschicht kommt von Triebschnee überlagerter Pulverschnee in Frage.) Gefahrenbereiche wird man vermehrt in kammnahen, sehr steilen Hängen vorfinden. Diese sollten mit etwas Erfahrung allerdings leicht zu erkennen sein.

Wie geht es weiter: Zurzeit (14.10) schneit und stürmt es in großen Höhen entlang des Alpenhauptkammes. Die Schneefallgrenze wird sich um ca. 2600m einpendeln. Es entstehen weitere (kurzfristig zu störende) Triebschneepakete. Der Sonntag verspricht dann ein schöner Tag zu werden. Mitte kommender Woche kündigt sich eine Kaltfront an.

Ein Nachtbild der Webcam (foto-webcam.eu) im hinteren Zillertal mit schönem Kontrast zwischen aperen und schneebedeckten Flächen (Foto: 13.10.2016)

Eine nächste Aktualisierung des Blogs erfolgt dann, wenn es auf den Bergen wieder etwas mehr schneit. Inzwischen wünschen wir allen „Skihungrigen" bereits die ersten genussvollen Schwünge im hochalpinen Gelände.